So umfassend und tiefgreifend wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit scheint unsere heutige Lebenswirklichkeit – von den großen gesellschaftlichen Entwicklungen und Zusammenhängen bis in die kleinsten alltäglichen Handlungen hinein – von dem durchdrungen und geprägt zu sein, was wir »Technik« nennen:
Technische Infrastrukturen der Kommunikation und des Transports etwa, deren Netze die massiven weltumspannenden Menschen-, Waren- und Datenströme kanalisieren, haben unsere individuellen Wahrnehmungs- und Handlungsradien ins Globale geweitet, wie dadurch zugleich die einstmals unermessliche Erde zu einem von uns allen, in engster Abhängigkeit voneinander gemeinsam behausten Ort zusammenschrumpfen lassen – ein Ort, dessen prekäre Begrenztheit uns auch insoweit immer eindringlicher bewusst wird, als die seit der Industriellen Revolution technisch unaufhaltsam gesteigerten Produktivkräfte mit ihrem Ressourcenverbrauch und ihrem Ausstoß an Abfall und Schadstoffen allmählich die planetarischen Kapazitäten zu überfordern drohen. Derweil versammeln und zerstreuen wir uns längst in mannigfachen künstlichen Parallelwelten, deren technische Schnittstellen zunehmend geschickt die unter ihrer Oberfläche ablaufenden Prozeduren vor uns verbergen, fortschreitend miniaturisiert und unscheinbar in unsere Umwelt dringen und uns zugleich buchstäblich immer enger zu Leibe rücken. Noch tragen wir die unterschiedlichen smart devices vorrangig bloß an und mit uns herum, aber mit Entwicklungen u. a. in den Bereichen von Nanotechnologie und Synthetischer Biologie ist längst eine weitere Kolonisierungsbewegung im Gange, die auf technische Umrüstung und Neugestaltung des Lebendigen selbst und damit ultimativ auch auf die künstliche Modifikation unserer eigenen inneren Natur abzielt. Etc.
Soweit nur ein ganz selektiver Ausschnitt aus dem Panorama aktuellster technischer Lagebedingungen, der verdeutlichen mag, warum man, wie schon 1949 (prominenterweise, aber keineswegs als Erster) der Philosoph Martin Heidegger, zu dem Schluss kommen kann, »Die Frage nach der Technik« sei eine der zentralen Fragen, wenn nicht gar die wesentliche Frage unserer Zeit.
Was aber heißt eigentlich »Technik«? Zählt nicht bereits der erste Faustkeil unserer stammesgeschichtlichen Urahnen in diesen Bereich? Und bezeichnen wir damit nicht sogar mancherlei paradoxerweise ganz und gar »untechnologisch« Anmutendes, wie beispielsweise die durch Übung erworbene Fertigkeit einer Musikerin im Umgang mit ihrem Instrument oder diverse rein leibliche und geistige Praktiken, etwa »Techniken der Meditation«? Gibt es ein Gemeinsames, das all diese Fälle miteinander verbindet, oder ist der Begriff vielmehr nur eine irreführende Klammer für völlig Unzusammenhängendes, müsste also entweder erst gezielt eingegrenzt oder vielleicht doch besser gleich komplett verworfen werden?
Und was ist von einer theoretischen Reflexion des Technischen an erhellender Einsicht zu erhoffen, wenn am Ende gelten sollte, wie es der Volksmund mitunter nahelegt, dass Technik selbst immer »neutral« sei – ein bloßes »Mittel« also, dessen Zwecke wir Menschen, die ja solche Technik überhaupt erst hervorbringen, auch jeweils frei bestimmen könnten?
Müsste man hiergegen aber nicht zumindest einwenden, dass technische Entwicklungen uns gerade heute vielfach zu überholen und sich unserer Kontrolle zu entziehen scheinen? Lehrt nicht zudem auch die Alltagserfahrung eigentlich das genau Umgekehrte, dass nämlich technische Geräte und Prozesse in ihrer »Eigenlogik« unsere vermeintlich souveränen Pläne und Absichten regelmäßig durchkreuzen und uns dabei ihre eigenen Zwecke regelrecht aufnötigen?
Könnte ein Fragen nach der »Natur« des Technischen schließlich gar an unser ureigenstes Wesen rühren, wenn Technizität sich bei näherer Betrachtung nicht nur in Bezug auf die Gegenwart, sondern vielmehr schon seit Anbeginn unserer Gattung als ein zentraler unterscheidender Wesenszug des Menschen überhaupt erweist? Sind wir »denkenden«, »kooperierenden«, »politischen« Tiere womöglich vor allem auch eines: homo faber, d. h. das »herstellende«, »technikerschaffende« Wesen?
Diese und ähnliche grundlegende Fragen, darüber hinaus und im Verein damit aber auch konkrete Analysen spezifischer Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Technik, Kultur und Gesellschaft bzw. zwischen technischen Dingen, Verfahren und Systemen auf der einen und dergleichen wie Wahrnehmung, Denken und Handeln auf der anderen Seite, bilden den Gegenstand von Techniktheorie.
Dabei handelt es sich indes nicht um eine eigenständige Fachdisziplin, sondern um ein Problemgebiet, das, verstärkt seit Beginn des 20. Jahrhunderts, Vertrer*innen so unterschiedlicher Disziplinen wie der Philosophie, der Anthropologie, der Soziologie, der Geschichts- oder der Kultur- und Medienwissenschaften als relevant für sich erkannt und mit ihren Untersuchungen, Diagnosen und Theoriemodellen auf vielfältige Weise erschlossen haben.